Why Vision & Think-Big suck?

Jeder kennt es, bekommt es überall zu hören und hat es vermutlich auch schon verinnerlicht: „Du brauchst eine Vision!“, „Think Big“, usw.

In diesem Beitrag werde ich Dir aufzeigen, warum Dich das ins Unglück stürzen kann. Leidgeplagte Gründer & Gründerinnen werden sich vielleicht auch wiederfinden und an sich reflektieren. Damit aber keiner ins Bodenlose fällt, dessen Weltbild, eine Vision wäre zwingend, zusammenbricht: es gibt eine Alternative – die Emotions-Vision!

Ich würde behaupten, folgende Message ist mit meine wichtigste Kern-Botschaft an alle Gründer und meine Coachees:

Eine große Vision macht jeden Erfolg zunichte!

Vision vs. Mission

Zuerst einmal eine Bestandsaufnahme. Was ist eine Vision im Startup-Kontext? Ich würde es folgender maßen formulieren:

Eine große Vision ist die Vorstellung des Ideal-Zustands (=SOLL), der sich vom aktuellen Status-quo (=IST) derart stark unterscheidet, dass der Gründer im Heute richtig leidet.

Das ist auch der Grund, warum sehr große Firmen von Menschen mit starken Komplexen gegründet wurden. Das Leben im aktuellen Zustand ist nahezu unerträglich – eine Wende muss her, mit allen Mitteln!

Eine gute, also von den meisten Ratgebern als qualifiziert angesehene, Vision hat diverse zusätzliche Kriterien. Zentral ist dabei immer, dass eine Vision eigentlich nie wirklich erreicht werden sollte. „Die Menschheit gesünder machen“ oder „die zufriedensten Kunden der Welt“, nur um zwei platte Beispiele zu geben. Selbst wenn man Amazon ist, man wird mit der Zufriedenheit der Käufer niemals wirklich am Ziel sein.

Vision ist eine Never-Ending-Story!

Eine Mission dagegen würde ich vereinfacht so definieren:

Mission ist das, was man realistischerweise in 2-3 Jahren mit einem Startup schaffen und verändern kann, wenn es gut läuft (vergiss dabei den Hockeystick!).

Ähnlich einer Geheimdienst- oder Militär-Mission – Rambo & Chuck Norris lassen grüßen – ist die Mission ein Projekt. Also etwas, das innerhalb eines definierten Zeitraum erfolgreich und mit kalkulierbarer Sicherheit abzuschließen ist. Die Mission ist daher konkreter, weniger schwammig und mit klaren Zielen verbunden.

Klar, auf Pitchdecks für Investoren braucht es die Mär einer Vision – ich empfehle das auch. Es ist eben Teil des Spiels. Nimm es aber nicht zu ernst! Arbeite lieber in Deinem Team mit der Mission. Mancher kluge und erfahrene Investor schätzt die Mission mehr als die Märchen-Vision.

Die meisten Investoren wollen getäuscht werden, weil sie für das eigene Gemüt oder die dahinterliegenden Geldgeber den Mond-Case brauchen!

Think Big

Zugegebenermaßen, ich liebe den Spruch:

If you want to land on the moon, you have to shoot to the stars!

Kurz, wer z.B. ein Gehalt von 100k pro Jahr anstrebt, landet bei 60k. Wer 10 B2B-Kunden will, schafft nur 2. Oder wie es der Life-Coach Damian Richter beschreibt: wer normale Arbeit leistet, hat einen unterdurchschnittlichen Erfolg; wer sich richtig anstrengt wird ein gutes Leben/Erfolg haben; wer sich aber über alle Maßen den A. aufreißt, wird ein außergewöhnliches Leben bekommen.

Falls das nun etwas verwirrend erscheint – sind Vision und Think Big nun gut oder schlecht?

Die Auflösung: es kommt darauf an, welche Persönlichkeit Du bist. D.h. welche Energien hast Du persönlich, welche Dich treibendem Minderwertigkeits-Komplexe, welche Ziele, welche Vorstellung vom Leben, usw.

Zusammenfassend würde ich sagen:

Nur so viel Vision und Think-Big wie es Dir gut tut!

Ich will das genauer aufschlüsseln. Die meisten denken vielleicht, gut tut mir wenn ich Milliardär bin und ich mir alles leisten kann. Denke bitte jedoch niemals vom Ende her, wenn man in einem komplexen System lebt! Die Zukunft ist nicht planbar.

Lebe im Hier & Jetzt und für die nahe Zukunft! Überlege, was bzw. welcher kleine Erfolg gibt mir so viel Energie, den nächsten kleinen Schritt noch schneller und kraftvoller gehen und daraus wiederum Energie gewinnen zu können?

Will heißen, opfere Dich niemals – zumindest nicht über längere Zeiträume – für Deinen Traum auf. Sonst wird er zum Alptraum! Das steht nicht im Widerspruch zum vollen Einsatz. Die Message ist,

  • tue nicht nur keine Dinge, die Dich kaputt machen;
  • nein, tue Dinge, die dich noch intensiver und mit Freude kämpfen lassen können.

Denn auf dem Weg zur Erfüllung Deines Startup-Glücks, brauchst Du zunehmend mehr persönliche Power. Wenn Du also in Deinem Projekt mit Motivations-Mangel zu kämpfen hast, oft müde bist oder Dich auf nichts mehr wirklich freuen kannst – wie nicht wenige abgekämpfte Gründer – dann weil Deine bisherigen, kleinen Erfolge im Verhältnis zur noch unerreichten, weit entfernen Vision und Deinen Erwartungshaltungen dramatisch auseinanderklaffen.

Wer das Erreichte aber in Ermangelung des guten Gefühls, sich schnell genug der eigentlichen Vision anzunähern, nicht regelmäßig (mit dem Team) feiern kann und dankbar für jeden Mini-Erfolg ist, verliert Energie – wie ein Rennauto in der 13. Runde mit Loch im Tank. Aber eigentlich müssen Deine Rundenzeiten mit jeder Runde schneller werden und Du musst noch mehr im Rennen sein.

Beispiel wie eine Vision zu viel Kraft kosten kann

Ein Gründer will das Kima retten: CO2-Reduzierung durch Ausweitung von Moorflächen. Die Startup-Lösung ist eine Art Acker-Maschine (incl. Logistik-System), welche eine normale Wiese zu einem Feucht-Biotop „renaturiert“. Das Ziel die Welt zu retten ist hoch gesetzt. Die Konsequenz: das Gründungs-Team kann selbst kleine Erfolge (z.B. Wiese vom Opa wurde renaturiert) nicht schätzen. Auch Mitarbeiter wurden für kleineres Geld gewonnen, die die Welt mit retten wollen – nichts geringeres.

Spätestens wenn man keine Startup-Wettbewerbe mehr gewinnt, weil ausgelutscht, fällt die Energie im Team stark ab. Die ersten Leute gehen, der Nimbus fällt, der Glaube es schaffen zu können verfällt, schlechtes Gewissen kommt auf, Selbstzweifel,…

Die Folge, es fühlt sich immer öfter an wie „Scheiße am Fuß“. Doch im Verhältnis zu dem eigentlichen gesetzten großen Ziel ist das halt mickrig und nicht ausreichend, die Kultur aufrechtzuerhalten, einen Game-Changer hinzulegen.

Eine große Vision erzeugt über kurz oder lang einen tödlichen Energie-Abfall und Abwärts-Strudel im Startup-Team.

Weil man nun derart groß hinaus wollte, wurde alles darauf ausgelegt, einen Investor zu finden. Investoren lieben die Vision – eigentlich lieben sie die Vorstellung von 9-stelligen Umsätzen – und wenn Du Klopapier verkaufst. Da allerdings nur in 1/1000 Startup Projekten investiert wird, steht das eigentlich tolle Modell nun vor dem Aus.

Mit kleineren Brötchen, z.B. bestehende Moore zu retten für die heimische Flora und Fauna, hätte man ein kleines aber schönes Business aufbauen können. Das Team mit den ultrahohen Erwartungen fliegt nun vorzeitig auseinander – eben aufgrund von fehlendem Investor-Geld und aufkommenden internen Spannungen. Ende Gelände!

Ausbleibender Erfolg hat weit mehr Freundschaften von Co-Foundern gekillt, als es erfolgreiche Startups gibt, deren Gründer sich eigentlich nie wirklich mochten.

Gewinnt der FC Bayern, ist Ruhe im Karton. Verliert man dreimal hintereinander, scheint es so als hassen sich alle. Sich gegenseitig als Idioten findende Menschen bleiben durch den Erfolg eher zusammengeschweißt, als erfolglose Menschen in einem Team, die sich anfangs sympathisch fanden.

Erfolg bindet! Ausbleibender lässt zweifeln und beenden!

Zwischen-Fazit

Wer zu hohe Ziele setzt (= Vision/Think Big), die nicht zur eigenen Persönlichkeit („was kann ich aushalten, wie ausgeprägt sind meine Komplexe?“) ist selbst bei kleinen Erfolgen noch immer gefühlte Millionen-Kilometer von dessen Verwirklichung unterwegs.

Die Folge einer zu großen Vision (sofern nicht zufällig sehr schnell viele Erfolge kommen) = häufiger Frust, fehlende Dankbarkeit –> De-Fokussierung, abklingende Energie, gar keine Erfolge mehr, Team zerlegt sich.

Dennoch, und das mag nun verwundern, macht eine Vision ab einem bestimmten Punkt im Startup durchaus Sinn. Wann das ist und weshalb Du niemals auf (Gründer-)Promis hören solltest, die immer von „you have to have a vision“ reden, im nächsten Beitrag.

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